Archiv 2016Vereinsaktivitäten und Veröffentlichungen
Neuerscheinung!
Erhältlich in der Turmapotheke und der Metzgerei Hisserich
Der neue Band der Rodheimer Hefte erinnert mit seinen Beiträgen an die
Jubiläen zweier öffentlicher Einrichtungen in Rodheim vor der Höhe: An den
Bau und Betrieb des 1953 eingeweihten „Volksbades Rodheim v.d.H.“ und an die
Entstehung und Einweihung der seit 50 Jahren bestehenden Erich
Kästner-Schule (mit zwei Artikeln). Außerdem wird vor dem Hintergrund der
jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse die Entwicklung
einer seit über 175 Jahren gepflegten Vereinstradition geschildert, nämlich
die des Chorgesangs in Rodheim.
WZ, 13.7.2016
Flur- und Grenzgang-Wanderung durchs Wirtheimer Feld und am
Beinhards
Samstag,
16.April 2016: 5 Uhr - es regnet stark, 9 Uhr - es regnet stark,
10.30 Uhr - es regnet immer noch stark. Wird überhaupt jemand bei so einem
Wetter zur Grenzgang-Wanderung, die um 11 Uhr beginnen soll, kommen? Sicher
nicht mehr als fünf. Aber weit gefehlt. Am Treffpunkt hat sich eine
beachtliche Anzahl an Regenschirmen eingefunden. Nach der Teilnehmerliste
sind es 31 Personen, die sich nicht von den widrigen Umständen abhalten
lassen. Sie alle sind gespannt auf die Ausführungen von Dr. Karsten Brunk,
dem Vorsitzenden des Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins (RGHV), der sie
auf eine Wanderung durch die Zeit und die nordwestliche Gemarkung von
Rodheim mitnehmen will. Dabei wird er die Teilnehmer zu zahlreichen
historisch interessanten Punkten führen, die manchem vielleicht noch nicht
bekannt sind.
Die Exkursion
beginnt an der Kreuzung von Mainzer Straße und Kreuzweg und damit gleich an
einer geschichtlich interessanten Stelle, denn beide Straßen waren früher
wichtige, zumindest regional bedeutsame Verbindungswege. Der Kreuzweg dürfte
schon seit der römischen Zeit bestehen und hat die römischen Stützpunkte in
Heldenbergen und Okarben mit dem Kapersburg-Kastell verbunden. Die Mainzer
Straße führte seit dem Hochmittelalter von Mainz bzw. Frankfurt nach
Friedberg und weiter nach Norden.
Die Tour folgte
zunächst ein Stück dem Kreuzweg, wo nach wenigen Metern der Standort einer
ehemaligen Ziegelei aus der Zeit um 1900 passiert wurde. Heute ist hier nur
noch eine ebene Fläche zu erkennen, die sich von dem sonst leicht
abfallenden Gelände unterscheidet und nur dem geübten Auge auffällt. Karsten
Brunk nennt weitere Beispiele, die deutlich machen, dass aufgrund der Ton-
und Lehmvorkommen in diesem Teil der Rodheimer Gemarkung das Töpferhandwerk
und Ziegeleien eine nicht unerhebliche Bedeutung hatten. So gab es an der
Waldstraße von 1854 bis 1885 die sog. Ziegelhütte (heute Landwirtschaft) von
Konrad Knaf und am Kreuzweg die Lettkaut, in der Ton und Lehm abgebaut
wurde.
Südlich des
Kreuzweges erstreckt sich der Wirtheimer Grund. Diese Flurbezeichnung weist
auf den ehemaligen Ort bzw. Weiler Wirtheim hin. Er lag am Salzpfad, der in
Nord-Süd-Richtung von Bad Nauheim kommend weiter nach Burgholzhausen führte.
Der Name lässt vermuten, dass der Weg auch dem Transport von Salz aus der
Saline in Bad Nauheim diente. Wirtheim wurde bereits in der Mitte des 14.
Jahrhunderts aufgegeben (sog. Wüstung). Der Grund dafür war eine große
Pestepidemie, der viele Menschen in der Region zum Opfer fielen. Die
Bevölkerung wurde dadurch so stark dezimiert, dass das bisher bebaute Land
nicht mehr im vollen Umfang genutzt werden konnte. So wurde der Ort ebenso
wie die anderen Wüstungen um Rodheim (Stürzelheim, Leichen, teilweise auch
Ober-Petterweil) aufgegeben und die wenigen verbliebenen Menschen in Rodheim
angesiedelt.
Vom Wirtheimer Grund
geht die Wanderung – der Regen hat inzwischen aufgehört – weiter auf dem
Kreuzweg in westlicher Richtung, bis wir die Weinstraße erreichen. Der Name
leitet sich von dem Wort „Waan“ (hess. für Wagen) ab und hat somit nichts
mit Wein zu tun. Diese Straße war spätestens seit dem frühen Mittelalter
eine der bedeutendsten Nord-Süd-Verbindungen in Deutschland. Zugleich
markiert sie etwa den westlichen Rand des ehemaligen Wirtheimer
Rodungsgebietes. Der Weinstraße folgend erreichen wir die sogenannte
Ochsentränke, die heute ein Feuchtgebiet ist. Früher gab es hier einen
Teich, der als Viehtränke genutzt wurde.
Durch die
Erläuterung während des bisherigen Teils der Exkursion ist deutlich
geworden, wie stark sich die Landnutzung über die Jahrhunderte hinweg
gewandelt und, damit einhergehend, sich auch die Bedeutung von Landschaft
und Natur für die Menschen verändert hat. Dies geschah in Abhängigkeit von
der jeweiligen historischen Epoche und den damit zusammenhängenden
Möglichkeiten der Menschen, sich Dinge zu Nutze zu machen. Aufgrund
fehlender Maschinen und eingeschränkter Transportmöglichkeiten konnten die
wesentlichen Rohstoffe wie Holz, Ton oder sonstiges Baumaterial in der Regel
nur aus der unmittelbaren Umgebung beschafft werden. Fast verborgene Spuren
dieser Bewirtschaftung und Landnutzung konnten wir heute Vormittag
beobachten.
Rechtzeitig zur
Mittagspause gegen 13 Uhr erreichen wir die Rotkäppchenhütte, in der vom
RGHV-Vereinsvorstand zubereitete Brötchen mit Fleischkäse oder Käse sowie
Kuchen und Getränke gereicht werden. Nachdem sich alle gestärkt haben,
wandern wir – inzwischen bei schönstem Frühlingswetter! – weiter entlang der
nördlichen Rodheimer Gemarkungsgrenze, die dem Verlauf des Lohgrabens am
Beinhardswald folgt. Karsten Brunk erläutert, dass es wegen des Verlaufs
dieser Grenze insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder zu
Streitigkeiten kam, die wiederholt zu tätlichen Auseinandersetzungen
führten, wie sich aus den Akten ergibt. In einem besonders bemerkenswerten
Fall wurde vom Verwalter auf dem Beinhardshof sogar der Lohgraben umgelenkt
und auf Rodheimer Gemarkungsgelände geleitet, um das Gebiet von
Solms-Rödelheim, zu der der Beinhardswald gehörte, zu vergrößern.
Endpunkt des
historischen Teils der Wanderung ist der sog. Dreimärker am östlichen Ende
des Beinhardswaldes. Dieser 1710 gesetzte dreieckige Grenzstein markiert die
Grenze zwischen den Gemarkungen Beinhards (ehemals Solms-Rödelheim),
Nieder-Rosbach (ehemals Hessen-Darmstadt) und Rodheim (bis 1806 Grafschaft
Hanau).
Am gleichen Standort
lenkt Karsten Brunk, als abschließendes „Schmankerl“ der Wanderung, noch das
Augenmerk auf ein imposantes Naturdenkmal (als solches aber nicht
gekennzeichnet), nämlich die stattliche Hute-Eiche am südöstlichen Rand des
Beinhardswaldes. Leider ist dieser Baum in den letzten Jahrzehnten so stark
von dem sich ausbreitenden Waldsaum umschlungen worden, dass er als
herausregendes Monument kaum mehr in Erscheinung tritt. Eine behutsame
Entfernung des buschartigen Niederwaldes unter seiner Baumkrone würde diese
wohl mächtigste Eiche in der Rosbacher Gemarkung wesentlich besser zur
Geltung kommen lassen. Erlös des Int. Freundschaftsfestes 2015 übergeben
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